Digitaler Blick auf andere Branchen in der Medienindustrie
Musik
Die Disruption der Musikindustrie hat spätestens mit der Einführung des iPhone 2007 begonnen. Waren vorher illegale Angebote wie Napster und ähnliches dafür verantwortlich, dass die klassische Musik Industrie sich anpassen musste, hat es Apple geschafft, dass neue Geschäftsmodelle und der digitale Download Standard wurden. War es früher undenkbar, dass Benutzer sich die Top20 vom NDR selber zusammenstellen und wurden sie bis dato erpresst, die Bündel der Musikkonzerne zu kaufen, konnten sie nun mit der Einführung von iTunes einzelne Songs von unterschiedlichen Labels probehören, kaufen und runterladen. Die „klassische“ CD schien von gestern und die Künstler bangten um ihre Erlöse – kein Wunder, denn Musik ist das perfekte digitale Gut.
- Musik ist in digitaler Form in vielen Situationen vollständig nutzbar
- „Music as a Service“ ist sehr weit fortgeschritten und in die Haushalte integriert. Aktuelle und zukünftige Talente der Generation Y kennen die CD, LP oder Musikkassette nur aus dem Museum oder dem Keller der Eltern. Apple Music, Spotify, Groove und Soundclound ist das Maß der Dinge.
- Es besteht eine sehr hohe Verbreitung entsprechender Ausgabegeräte. HiFi-Komponenten können heute selbstverständlich nativ Musik von den führenden Anbietern streamen. Ein USB-Anschluss und eine native Unterstützung von Apple Hardware ist Standard und wird von den Käufern auch vorausgesetzt.
- Wirksame öffentliche Wahrnehmung begünstigt durch Free Riding : Fast alle Anbieter bieten einen kostenfreien, häufig werbe- oder datenfinanzierten Service für die Benutzer an
- Long Tail-Verfügbarkeit und Empfehlungssysteme sind Standard. Selbst Special Interest Bands und Formate können jederzeit auf den Plattformen gestreamt werden. Teilweise sind diese auch genau für unbekanntere Künstler und Gruppen konzipiert worden, wie z.B. Soundcloud oder Tape.TV. Abseits des Mainstreams haben hier Künstler die Möglichkeit gefunden, ihre Sounds zu veröffentlichen und einer großen und internationalen Schar von Hörern zugänglich zu machen und dabei auch noch Geld zu verdienen.
- Davon unabhängig besteht trotzdem eine große Herausforderung bei der Monetarisierung von Inhalten, die per Flatrate lizenziert wurden. Denn es ist traditionell eine Herausforderung, den Lizenzschlüssel so zu gestalten, dass alle Beteiligten der Wertschöpfungskette nicht schlechter gestellt sind, als wenn sie das klassische Pay-per-Download-Modell verfolgen würden. Ein Beispiel dafür ist Pharell Williams: Dessen Hit-Single „Happy“ wurde 43 Millionen Mal bei Pandora als Stream ausgeliefert, das darauf basierende Mash-up „All Of Me“ brachte es auf 55 Millionen Ausspielungen. Der erbärmliche Verdienst im ersten Quartal 2014 belief sich indes auf 4.953 Euro ausgezahlt. Hier spricht die Mathematik also eine sehr deutliche Sprache – Pharell hätte also mehr verdient, wenn er nur ein paar tausend Einheiten seiner Songs im klassischen Modell verkauft hätte. Das ist dann auch das Drama der oft diskutierten Kultur-Flatrate: die Kultur überlebt sie nicht.
Die Disruption der Disruption hat in der Musikindustrie gerade wieder begonnen. Nachdem die Umsätze im Apple iTunes Store oder Google Play bestenfalls stagnieren und Streamingdienste wie Soundcloud, Spotify oder Tidal – gegründet von Größen der Industrie wie Jay-Z, Kanye West, Alicia Key u.a. (vgl http://www.rollingstone.de/tidal-wie-jay-z-kanye-west-madonna-co-das-musik-streaming-revolutionieren-wollen-700982/ ) – massiven Zulauf bekommen überholt Apple die Wettbewerber locker auf der Standspur mit dem neuen Dienst Apple Music (http://www.apple.com/de/music/) bei dem man nicht nur 3 kostenlose Monate bekommt, sondern auch noch eine sehr elegante Integration in das Apple Ecosystem. Als User merkt man gar nicht mehr den Unterschied. Und selbstverständlich – das hat man in Cupertino inzwischen auch gelernt – gibt es einen Client für Android Handys. Hatte man im Oktober noch 6.5Mio zahlende Kunden (vgl http://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/apple-music-6-5-millionen-nutzer-zahlen-fuer-streamingdienst/12473164.html) waren es im Dezember schon 8Mio Kunden (vgl http://www.iphone-ticker.de/apple-music-mit-8-mio-abonnenten-zur-nummer-2-im-business-90699/) und im Januar 2016 bereits 10Mio Kunden (vgl http://www.computerbild.de/artikel/avf-News-Audio-Apple-Music-Nutzerzahlen-13731737.html) und das nach nicht einmal 6Monaten.
Für diese 10Mio Nutzer haben die Disruptoren der ersten Stunde (Spotify, Deezer und Soundcloud) Jahre gebraucht.
Wir sind sehr gespannt wie sich die Musikindustrie weiterentwickeln wird. Ob das immer gut für die Kunst und Kultur ist und ob wir auf den Streamdiensten am Ende des Tages auch den so genannten Longtail hören dürfen, bleibt abzuwarten.
Der Beitrag ist entstanden in Zusammenarbeit mit Gerrit Pohl :
Gerrit Pohl, 41, beschreibt seinen Beruf gerne mit „Mensch-Maschine-Aufgaben, umgarnt von Ökonomie, Strategie, Innovation und Dauerneugierde“. Übersetzt bedeutet dies, dass er mehr als 13 Jahre in der Medienindustrie (Axel Springer, Gruner+Jahr) in Führungspositionen tätig war, ehe er 2013 zu Microsoft wechselte. Dort verantwortet Pohl als Manager die Bereiche „Go-to-Market“ und „Cloud New Audience“ und empfindet es als sehr erfüllend, die niemals endende digitale Transformation mit höchster Passion mitzugestalten. Zwischendurch war er auch Wissenschaftler an der Technischen Universität Darmstadt, Autor (u.a. Rolling Stone, Spiegel Online, Titanic, aber natürlich auch für diverse Journals für Wirtschaftsinformatik) und hat mehrere Lehraufträge inne. Kontakt gerne über gerrit.pohl@microsoft.com.
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