Der Artikel zum Thema „Publishing im digitalen Zeitalter – Publishing 3.0“ wird in Summe in 4 Teile unterteilt sein. Im ersten Teil werden wir uns mit der Disruption im klassischen Print und Online Umfeld beschäftigen. Im 2. Part besprechen wir dann die Musikindustrie um im 3. Teil über die jüngsten Disruptionen im der Bewegtbild Industrie zu sprechen. Abschließend werden wir einen Ausblick in die Zukunft geben, die Learnings zusammenfassen und kritische Erfolgsfaktoren besprechen. Diese Blogpost Serie stellt unser beider persönliche Meinung da und ist zum Teil sehr bewusst polarisierend geschrieben. Damit wollen wir sicherstellen, dass wir eine anregende und gute Diskussion zu Publishing 3.0 führen können. Sie sind als Leser und ggfls auch Betroffener aufgefordert aktiv zu kommentieren und mit uns in die Diskussion einzutreten. Viel Spaß beim diskutieren !
Disruption im klassischen Print und Online Umfeld – Pressespiegel:
Beginnen möchte ich den heutigen Blogpost mit einer kurzen Übersicht zum aktuellen Geschehen in der Presselandschaft:
- Axel Springer entwickelt mit „Upday“ einen Aggregator für Samsung und setzt verdiente Verlagsmitarbeiter auf Schlüsselposition – dieses Projekt ist ernst und ein Kernprodukt in der Digitalstrategie
- Erste Verlage ziehen Bezahl-Apps aus dem App-Store von Apple ab, weil es sich nicht für sie rentiert – Erfolg ist also nicht nur eine Frage des Formats
- Sascha Lobos „SoBooks“ kooperiert mit der Lufthansa, und bietet für Flugreisende E-Books und reisespezifische Pakete an. Die Technologie erkennt, auf welchem Flug sich der Gast befindet und kann zum Zielort passende Vorschläge machen, bezahlt werden kann auch über Meilen. Hier ist die Technik der Grund, warum der Content eine neue Zahlungsbereitschaft erfährt.
- Bento macht mobil: Die Abteilung Bällebad von Spiegel Online versucht mit eigener App junge Nutzer abzugreifen. Inhalt und Optik der kostenlosen Programme für iOS und Android sind vergleichbar mit der Website – optimiert für den kleinen Screen, aber ähnlich bildgewaltig. Konkurrenz-Portale wie ze.tt von der „Zeit“ und Byou von „Bild“ haben noch keine eigene App. Nur die inzwischen etablierte Marke BuzzFeed kann damit aufwarten. Die User geben dem Verlag recht: Schon heute nutzen 2/3 der User Bento mobil
- Smartphone-Besitzer nutzen im Schnitt 1,5 klassische Nachrichten-Quellen, ergibt der internationale Digital News Report. 70 % haben eine News-App, nur jeder Dritte nutzt sie mindestens einmal pro Woche. Soziale Netzwerke, vor allem Facebook, gewinnen als Info-Quelle massiv an Bedeutung. http://digitalnewsreport.org
- Ungeachtet steigender Marktanteils- und Download-Zahlen bei Apps kann Google mit seinem Play Store dem App Store von Apple nicht das Wasser reichen. Einer neuen Erhebung des Marktforschungsinstituts App Annie zufolge, machte Apple im dritten Quartal 80 Prozent mehr Umsatz als Google. Wer glaubt, dass der Trend für Google spricht, hat sich ebenfalls getäuscht. Die Umsatz-Schere ging von 70 Prozent auf 80 Prozent sogar noch auseinander – und das obwohl Google 90 Prozent mehr Downloads von Apps als Apple verzeichnen konnte. http://futurezone.at/b2b/apple-macht-mit-apps-80-prozent-mehr-umsatz-als-google/159.042.991
Es kann also festgestellt werden, dass analoge Publishing Modell im digitalen Zeitalter nicht wirklich funktionieren. Erfolg haben nur die, die andere, neue auf die Digitalisierung zugeschnittene Wege gehen. Ein Printmagazin oder eine Zeitung als PDF in eine Reader App in einem beliebigen App Store zu legen und zu hoffen, dass die User – sprich Leser – sie finden, kaufen und nutzen, ist ein veralteter Ansatz. Klassische, im analogen Zeitalter gelernte Methoden und Strategien, den zahlenden User an sich zu binden funktioniert also ebenso wenig wie die reine Monetarisierung über Werbung. Wie schaffen es also die Publisher aus dem roten Ozean in den blauen, digitalen Ozean zu kommen?
Die Grundproblematik der digitalen Transformation von physischen Geschäftsmodellen im Verlagsbereich:
- Die Nachfrage wandert ins Netz, das Geschäftsmodell indes nicht, weil Content insbesondere im News-Bereich substituierbar ist und Exklusivität eine kurze Haltbarkeit hat. Der Chefredakteur von Focus Online, Daniel Steil, testet durchaus geschickt bzw. frech die Grenzen des Urheberrechts aus, indem er den Kern exklusiver Nachrichten von Konkurrenzportalen dezent umformuliert, und so den SEO-Traffic auf seine Seite zieht.
- Es besteht eine grundsätzlich (zu) geringe Zahlungsbereitschaft für journalistische General Interest Inhalte, traditionelle Bündel funktionieren nur selten und wenn, dann im Special Interest Bereich. Herausgeber beispielsweise wissenschaftlicher Zeitschriften haben einen klaren USP, der auch nicht durch Sekundärquellen aufgehoben werden kann. Nicht umsonst sind die Preise solcher Journals oft so hoch, dass die beitragenden Autoren sich ein Abo nicht leisten können. Die Transformation von der Printnische in das digitale Pendant funktioniert also bisweilen.
- Digitale Replica widersprechen dem Geiste der Netzgeneration, die zu einem Stichpunkt einfach die besten Inhalte gefiltert haben möchte – Blendle (blendle.com) bricht das jetzt auf, aber viele Marktteilnehmer sind noch misstrauisch ob der Erosion klassischer Erlösströme zugunsten von Mikrokalkulationen. Ob die Verlage wirklich die „heilige Kuh“ der eigenen Brand zu Gunsten der User schlachten, bleibt abzuwarten. Immerhin: nach den Attentaten in Paris dominierten aktuelle Kommentare die Blendle-Charts – was eine ganz neue Erfolgsrechnung ist, als sie IVW bisher vornimmt.
- Die Kompetenz der Verlage liegt traditionell im Contentbereich, während Technologie als wertschöpfender Faktor nicht wirklich beherrscht bzw. weitestgehend externalisiert wird. Wenige Ausnahmen wie z.B. Axel Springer holen sich das Wissen über Zukäufe rein und internalisieren diese neue Kompetenzen geschickt. Auch Microsoft macht das: Der Gründer der E-Mail App Acomplii ist jetzt an der Spitze des Outlook Engineering-Teams (Javier Soltero)
- Dev-Ops aus der Steckdose macht teilweise absolut Sinn, aber es ist wichtig, alle relevanten Technologien zu kennen, strategisch einschätzen und bezüglich der Umsetzung/Wirtschaftlichkeit priorisieren zu können. Andernfalls wird es schwer bis unmöglich, den Dienstleister zu steuern
- Wachstum und Wirtschaftlichkeit kommen bei vielen Verlagen eher aus Bereichen, die rein gar nichts mit dem traditionellen Kerngeschäft zu tun haben (Tierfutter E-Commerce, Rubrikenmärkte, klassisches Netzeffekte-Geschäft)
- Die User-Experience machen andere: wer 10 Zeitungen digital lesen will, muss 10 Apps runterladen und updaten, 10 Kaufverträge schließen und 10 Bedienerführungen lernen. Er kann als Gegenleistung aber nicht über alle zehn Zeitungen übergreifend suchen, sondern muss das Titel für Titel machen. Archivinhalte gibt es entweder gar nicht oder es liegen keine Verwertungsrechte dafür vor oder der Retro-Content wurde schlicht nicht digitalisiert. Nutzerfreundlich sieht anders aus, und deshalb musste Blendle von branchenfremden Start-Up-Leuten erdacht und gebaut werden.
Die digitale Transformation des Kerngeschäfts ist also ein Problem. Digitale Erlöse kommen aus Zukäufen bereits profitabler Unternehmen, die wenig bis gar nichts mit dem klassischen Publishing zu tun habe. Bei einer reinen Content-Transformation rentieren sich die Investitionen in native singuläre Apps oft nicht.
Als Axel Springer im Oktober diesen Jahres neben der PayWall auch noch eine „AdBlock Wall“ eingeführt hat um seine so die Monetarisierung der Assets weiterhin sicherzustellen ging ein #Aufschrei durch die Internet Welt und führende Blogger wie Sascha Pallenberg von MobileGeeks.de haben in dem Fahrwasser eine Anti AdBlock Kampagne ins Rollen gebracht (http://www.mobilegeeks.de/artikel/leute-die-werbeblocker-einsetzen-finde-ich-asozial/) . Ob man sich dem nun anschließt und Leute für asozial hält, die Ad Blocker einsetzen bleibt mal dahingestellt Fakt ist jedoch, dass Springer zumindest teilweise Erfolg mit seiner Taktik gegen die Ad Blocker hat (vgl auch http://meedia.de/2015/12/15/doppelte-attacke-springers-zwei-fronten-strategie-im-kampf-gegen-ad-blocker/) und sich so vor weiteren Einkommensverlusten zu schützen scheint aber auf der anderen Seite auch noch keine wirkliche Strategie zur Monetisierung außerhalb von bunt blinkenden Anzeigen der recht kurzlebigen Journalistischen Inhalte ihrer Blätter gefunden hat.
Besteht die Strategie bei der Transformation des Kerngeschäfts also darin, im technischen Bereich eher auf Outsourcing und Standards zu setzen und ansonsten Content als Asset so aufzubereiten, dass technologische Innovatoren dieses lizenzieren und im Rahmen des Fortschritts einsetzen können?
Der Beitrag ist entstanden in Zusammenarbeit mit Gerrit Pohl :
Gerrit Pohl, 41, beschreibt seinen Beruf gerne mit „Mensch-Maschine-Aufgaben, umgarnt von Ökonomie, Strategie, Innovation und Dauerneugierde“. Übersetzt bedeutet dies, dass er mehr als 13 Jahre in der Medienindustrie (Axel Springer, Gruner+Jahr) in Führungspositionen tätig war, ehe er 2013 zu Microsoft wechselte. Dort verantwortet Pohl als Manager die Bereiche „Go-to-Market“ und „Cloud New Audience“ und empfindet es als sehr erfüllend, die niemals endende digitale Transformation mit höchster Passion mitzugestalten. Zwischendurch war er auch Wissenschaftler an der Technischen Universität Darmstadt, Autor (u.a. Rolling Stone, Spiegel Online, Titanic, aber natürlich auch für diverse Journals für Wirtschaftsinformatik) und hat mehrere Lehraufträge inne. Kontakt gerne über gerrit.pohl@microsoft.com.
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